Werkhof-Portrait Sandra Krupke

„Ich glühe für den Laden!“

Wenn man Sandra Krupke durch die großzügige Ausstellung des „Möbel & mehr“-Sozialkaufhauses der Werkhof gem. GmbH in Iserlohn wirbeln sieht, fällt die Vorstellung schwer, dass sie jemals etwas anderes gemacht hat: Ständig arrangiert sie Möbel und Dekorationen, berät Kunden, organisiert An- und Auslieferungen – professionell, freundlich und kompetent. Dabei ist ihr beruflicher Hintergrund ein völlig anderer. Ihre Persönlichkeit und ihre Fähigkeiten aber kamen ihr auch dabei zu Gute.

Noch immer ist die Geburt eines Kindes für Frauen der häufigste und nachhaltigste Karrierekiller. Sandra Krupke hatte sich nach ihrer Ausbildung als Zahnarzthelferin über viele Jahre hinweg Führungspositionen in der Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie und der Unfallchirurgie erarbeitet sowie zwei Praxen mitaufgebaut, als sie 2004 schwanger wurde. Schlagartig war es vorbei mit dem üppigen Gehalt, und nach drei Jahren Babypause wurde der heute 51-Jährigen klar: Sie war raus. Aber Sandra Krupke ist kein Mensch, der mit dem Schicksal hadert. „Die Schwangerschaft hat mich auch verändert“, erinnert sie sich. „Ich konnte mir plötzlich nicht mehr vorstellen, in einer Praxis inmitten von kranken und verletzten Menschen zu arbeiten.“ Und da sie schon seit ihrer Jugend in ihrer Heimatstadt Recklinghausen immer auch freiberuflich für Zeitungen fotografiert hat, stieg sie 2007 als freie Mitarbeiterin beim Iserlohner „Stadtspiegel“ ein. Doch dieses Engagement hatte keine Zukunft. Die Konkurrenz durch das Internet insbesondere beim Werbegeschäft machte den Zeitungen immer mehr zu schaffen, und so bekam Sandra Krupke immer weniger Aufträge, bis sie schließlich gezwungen war, beim Jobcenter eine Aufstockung ihres Einkommens zu beantragen. Das war im Jahr 2016. In diesem Jahr lernte sie auch den Werkhof sozusagen von innen kennen.

Hilfe für Jobsuchende

Der Werkhof ist eine gemeinnützige Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft. Ihr Aushängeschild sind die bekannten und beliebten Sozialkaufhäuser in Hagen, Iserlohn und Halver. Daneben widmet sich der Werkhof in unterschiedlichen Projekten den Themen Integration und Beschäftigung. In Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit und den Jobcentern im Einzugsgebiet werden Menschen, die aus unterschiedlichsten Gründen Schwierigkeiten haben, von allein einen Arbeitsplatz zu finden, gefördert und an den Arbeitsmarkt herangeführt. Das beinhaltet die Beschäftigung in den verschiedenen Betriebsbereichen des Werkhofs, zu denen neben den Sozialkaufhäusern auch diverse Dienstleistungen, eine Küche und ein Wertstoffhof gehören. Weitere Schwerpunkte sind die Berufsorientierung für Jugendliche und Integrationshilfe für Migranten, wie Spracherwerb und Unterstützung bei Behördenangelegenheiten. Das Jobcenter in Iserlohn vermittelte Sandra Krupke als Ein-Euro-Jobberin an das Sozialkaufhaus in der Iserlohner Heide. „Das war genau mein Ding“, sagt sie. „Ich liebe das Optische und mag es, wenn die Besucher sich wohl fühlen.“ Und weil auch ihr selbst das „Wohlfühlen“ beim Job an erster Stelle steht, war sie – Ein-Euro-Job hin oder her – von Anfang an mit vollem Engagement dabei.

Alles außer Inventur

Und das blieb auch in der Führungsetage des Werkhof nicht lange verborgen: Standortleiter Thomas Herzog fiel die Tatkraft der „Neuen“ auf und er setzte sich für sie ein. Die Werkhof-Geschäftsführung bot Sandra Krupke daraufhin eine 30-Stunden-Festanstellung an. Seit inzwischen zwei Jahren arbeitet sie Vollzeit, d.h. 40 Stunden pro Woche. Zug um Zug übernahm sie immer mehr Aufgaben, darunter die Kassenführung und die Disposition. Heute ist sie die „rechte Hand“ und Vertreterin von Verkaufsleiterin Anja Paul. „Ich mach alles außer Inventur“, lacht sie und gibt zu: „Aber Möbel rücken und dekorieren macht mir immer noch am meisten Spaß.“ Spricht´s und ordnet rasch im Vorbeigehen eine Blumendeko auf einem Tischchen in der Ausstellung. „Sowas springt mir immer sofort ins Auge“, lächelt sie entschuldigend. „Alles muss ansprechend aussehen.“ Die liebevolle Gestaltung der Ausstellung bis ins Detail ist ihr eine Herzensangelegenheit. Denn sie ist davon überzeugt, dass dies auch eine Wertschätzung für die Kundschaft bedeutet – auch wenn die das nicht immer wahrnimmt. Doch es mangelt auch nicht an positiven Rückmeldungen.

Berufung gefunden

„Vom Ein-Euro-Jobber zur Führungskraft, das ist bei uns keine Plattitüde, sondern Teil unserer  Philosophie“, erläutert Werkhof-Geschäftsführer Jürgen Scheper. „Unter den Menschen, die zu uns kommen, sind oft Talente, die es trotz ihrer Erfahrung und ihrer Qualitäten auf dem normalen Arbeitsmarkt schwer haben. Genau solche Menschen wollen wir fördern und unterstützen.“ Sandra Krupke ist darüber mehr als glücklich. „Ich glühe für diesen Laden“, sagt sie, ohne dass man das Gefühl hat, sie würde übertreiben. „Hier habe ich wirklich meine Berufung gefunden.“ Darum sieht sie im Werkhof auch ihrer berufliche Zukunft: „Ich möchte hier bleiben. Wir sind hier ein tolles Team, und gemeinsam wollen wir das Angebot des Werkhofs noch bekannter machen.“ Dazu hat sie auch schon viele Ideen für Veranstaltungen und Events – selbstverständlich Corona-konform – um besonders auch junge Menschen anzusprechen. Die Spannbreite reicht dabei von thematischen Sondershows in der Ausstellung bis hin zum Late-Night-Shopping mit gediegener Beleuchtung und Musik.

Text Andreas Tietz; Fotos Heike Thomese-Osthoff

Sandra Krupke im Gespräch mit Andreas Tietz